19.30 Uhr
Programm
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621): Mein junges Leben hat ein End. Sechs Variationen über ein altes Kirchenlied. Anläßlich der Wiederkehr des 400. Todestages des Komponisten.
Jürgen Böhme (*1955): Aria und Trio aus der 1. Orgelsonate
Johann Sebastian Bach (1685-1750): Kyrie, Gott heiliger Geist BWV 671
Maurice Duruflé (1902-1986): Prélude et Fugue sur le nom d’Alain
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An der Gerhardt-Orgel der Johanneskirche Metternich: Jürgen Böhme
Programmerläuterungen
Jan Pieterszoon Sweelinck wurde in einer kulturelle Blütezeit Hollands, im Mai 1562 in Deventer geboren. Zumindest von seinem 4. Lebensjahr an lebte er ständig bis zu seinem Tode vor fast genau 400 Jahren (am 16. Oktober 1621) in Amsterdam, wo der Vater das Organistenamt an der „Oude Kerk“ innehatte. Nach dem Tode des Vaters 1573 wurde er dessen Nachfolger und behielt dieses Organistenamt 44 Jahre. Seine Verpflichtungen umfaßten das Orgelspiel am Anfang und Ende des Gottesdienstes (der Gemeindegesang wurde nach calvinistischer Tradition nicht von der Orgel begleitet), außerdem hatter er nach dem Gottesdienst und nach dem täglichen Abendgebet eine Stunde auf der Orgel zu musizieren.
Sweelinck komponierte mehr als 70 Werke für Tasteninstrument (Toccaten, Fantasien, Ricercare und Variationen), die zu Lebzeiten jedoch nicht gedruckt wurden, sondern nur in Handschriften seiner Schüler überliefert sind. Möglicherweise dienten sie vor allem als Unterrichtsmaterial zur Kompositions- und Improvisationsanleitung. Sweelinck verband Elemente der virtuosen englischen Virginalmusik mit dem spanischen und italienischen Orgelstil. Die 15 Toccaten Sweelincks zeichnen sich durch große improvisatorische Freiheit aus und stellen das betreffende Instrument auf repräsentative Weise vor. Eine besondere Nähe ist zu italienischen Meistern wie Andrea Gabrieli und Claudio Merulo erkennbar. Hingegen beginnen die 14 Fantasien polyphon und entwickeln eine Grundidee, wie seine berühmte Chromatische Fantasie und die sechs Echo-Fantasien. Die monothematischen, ernsten Fantasien gelten als Vorläufer der klassischen Fugen. Den Variationen liegen ganz unterschiedliche Melodien zugrunde. Sweelinck komponierte 13 Choralvariationen über Gregorianische Melodien, lutherische Choräle und Genfer Psalmen, acht Variationsreihen über weltliche Lieder und weitere Variationen (Ballo del granduca, Engelsche fortuyn, More palatino).
Zu den über 250 Vokalwerken, die er ausschließlich in Französisch, Italienisch oder Latein komponierte, gehören Chansons und Madrigale sowie Motetten und Psalmen. Seine erste Sammlung von Vokalwerken erschien im Jahr 1584, fünfstimmige, weltliche Chansons, die Einflüsse von Orlando di Lasso aufweisen. Als sein krönendes Lebenswerk gilt die Vertonung des Genfer Psalters. Die erste Sammlung von 50 Psalmen erschien im Jahr 1604 und umfasste vier- bis achtstimmige Sätze. Zwei weitere Bände mit je 30 Psalmen wurden 1613 und 1614 gedruckt. Ein Gegenstück zu den Psalmen bilden die 1619 in Antwerpen veröffentlichten Cantiones sacrae mit 37 lateinischen Motetten für fünf Stimmen auf Texte der römisch-katholischen Liturgie.
Als Pädagoge genoß Sweelinck einen außerordentlich bedeutsamen Ruf. Zu seinen Schüleren zählten u.a. Jakob Prätorius, Samuel Scheidt und Heinrich Scheidemann. Durch sie wurde er zum Begründer der norddeutschen Organisten- und Kompositionsschule. Da an den drei Hamburger Hauptkirchen ebenfalls Schüler Sweelincks im Amt waren, nannte man ihn auch den „Hamburger Organistenmacher“. Über Scheidemann und dessen Schüler Johann Adam Reinken führt auch eine Verbindungslinie zu Johann Sebastian Bach, der von Reinken starke Impulse empfing.
Zu den Enkelschülern des Bruders von Jan Pieterszoon Sweelinck, des Malers Gerrit Sweelinck, zählt auch Rembrandt, Hollands bedeutendster Maler.
Mein junges Leben hat ein End, mein Freud und auch mein Leid; mein arme Seele soll behend scheiden von meinem Leib. Mein Leben kann nicht länger stehn, es ist schwach, es muß vergehn, es fährt dahin mein Leid.
Jürgen Böhme schrieb seine Orgelsonate Nr. 1, aus der hier die beiden Mittelsätze vorgestellt werden, 1979 für die Orgel der Stadtkirche in Lünen/Westfalen, wo er bis 1989 auch als hauptamtlicher A-Kantor tätig war. In der Aria verbindet der Komponist eine 3-teilige Da-Capo-Form mit einer ungewöhnlich expressiven Melodieführung, deren Begleitung mit Bitonalität und imitatorischen Motiven unerwartete Effekte schafft. Das Trio ist die Darstellung eines Perpetuum mobile mit zwei gleichen Stimmen über einem Basso continuo. Beide Stücke entstanden in Zusammenhang mit Kompositionsstudien bei Peter Bares in Sinzig und Wolfgang Stockmeier in Köln. Böhme war Kompositionsschüler des Düsseldorfer Komponisten und Professors an der Kölner Musikhochschule Jürg Baur.
Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel „Kyrie, Gott heiliger Geist“ stammt aus dem „Dritten Teil der Klavierübungen“ Bachs, der bereits 1739 im Druck erschien.
Johann Sebastian Bach hat im Laufe seines Lebens eine Anzahl seiner Werke für Cembalo oder Orgel im Druck veröffentlicht; in den Jahren von 1731 bis 1741 in einer vierteiligen Sammlung unter dem Namen Clavierübung. Er bedachte hier systematisch alle Instrumente mit Klaviatur: ein- oder zweimanualiges Cembalo oder auch Clavichord im ersten Teil, Orgel mit und ohne Pedal im dritten Teil und zweimanualiges Cembalo im zweiten und vierten Teil.
Mit Suite, Konzert, Präludium und Fuge, Choralbearbeitung und Variation bot Bach hier die meisten der gängigen Gattungen und Kompositionsstile. Auch wenn der Titel „Übung“ heute ein Lehrwerk assoziiert, waren und sind die Kompositionen alles andere als leicht zu spielen und richteten sich keineswegs an Instrumentalschüler. Vielmehr zeigen sie ganz systematisch das kompromisslos hohe kompositorische und spieltechnische Niveau ihres Autors.
Das Wort „Übung“ muss hier also nicht im heutigen Sinne des beim Etüdenspiel im Vordergrund stehenden neuen Erlernens verstanden werden, sondern kann vielmehr im höheren Sinn als umfassende geistige und technische Aneignung, Vertiefung und Meditation des Spielers einerseits, als Aus-Übung des Tonsetzerberufs andererseits gesehen werden.
Als dritten und mit 77 Seiten umfangreichsten Teil veröffentlichte Bach 1739 eine Folge von Orgelwerken. Den Rahmen bilden Präludium und Fuge in Es-Dur, dazwischen befinden sich 21 Choralbearbeitungen. Albert Schweitzer hat das Ganze auch als Orgelmesse bezeichnet, da die verwendeten Choräle nicht an bestimmte Zeiten des Kirchenjahres gebunden sind und etwa im Verlauf eines Gottesdienstes angeordnet wurden, beginnend mit Kyrie, Gloria und Credo.
Das kompositorische Werk des französischen Komponisten Maurice Duruflé ist bei weitem nicht so groß wie das von Johann Sebastian Bach. Doch gilt jedes seiner Werke als überragend, meisterlich und mitreißend – ein Urteil, das gerade von Kompositionen des 20. Jahrhunderts selten so klar und eindeutig gefällt wird. Jedes Stück aus seinem nicht eben umfangreichen Oeuvre ist ein Meisterwerk, am bedeutendsten das Requiem op. 9. Duruflé war Schüler von Louis Vierne, Charles Tournemire und Paul Dukas, wurde 1930 in Paris Organist an St. -Etienne-du-Mont und 1943 Professor am berühmten Conservatoire National de Paris.